Reto Rüegger, 22. Juli, 2024
Landauf und Landab wird das Konzept “New Work” für alles Neue und Alte und für Arbeit schlechthin herangezogen. Doch was ist wirklich neu daran? Erstmal gar nichts. Neu würde heissen, gestern erst erfunden oder sind wir gnädig, vielleicht vor 5 Jahren? Die Konzepte sind alle alt und nicht neu. Sie sind nur in Ihrer Kombination Brand aktuell. New Work steht für eine veränderte Herangehensweise unseres Berufslebens, indem es Flexibilität, Autonomie, verstärkte Zusammenarbeit und die Integration von Technologie in den Mittelpunkt stellt. Romeo und ich waren kürzlich bei der ZHAW für einen Gastbeitrag als Dozenten zu Besuch. Hier ist eine kleine Erkundung, wie diese Elemente die Zukunft der Arbeit gestalten können.
New Work und Activity-Based-Working ist nicht das Selbe.
Activity-Based-Working und New Work sind zwei unterschiedliche, aber komplementäre Konzepte, die gemeinsam das Potenzial haben, die Arbeitswelt grundlegend zu verändern, leider werden sie oft vermischt, respektive gleichgestellt.
New Work setzt auf einen umfassenden kulturellen Wandel, der auf Freiheit, Vertrauen und Sinnstiftung basiert. Dieses Konzept stellt den Menschen in den Mittelpunkt und fördert eine Arbeitskultur, die Flexibilität und Autonomie ermöglicht. Es geht darum, den Mitarbeitern mehr Entscheidungsfreiheit zu geben und ihre individuellen Stärken und Bedürfnisse zu berücksichtigen. New Work zielt darauf ab, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich die Mitarbeiter wohlfühlen, motiviert sind und ihre Arbeit als sinnstiftend empfinden. Das ist alles nicht neu.
Activity-Based-Working hingegen konzentriert sich auf die physische Gestaltung der Arbeitsumgebung. Hierbei werden flexible Arbeitsplätze geschaffen, die den unterschiedlichen Tätigkeiten und Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht werden. Durch die Schaffung verschiedener Arbeitszonen, wie zum Beispiel ruhige Bereiche für konzentriertes Arbeiten, offene Flächen für Zusammenarbeit und kreative Räume für Brainstorming, wird die Effizienz und Produktivität gesteigert. Activity-Based-Working ermöglicht es den Mitarbeitenden, den für ihre aktuelle Aufgabe am besten geeigneten Arbeitsplatz zu wählen.
Arbeit soll dem Menschen Bedeutsamkeit, Selbstbestimmung und Kompetenzentwicklung und danach Lebensqualität spenden. Prof. Frithjof Bergmann, Begründer des New Work Konzepts, 2017
Was nun sind aber die Komponenten von New Work?
Flexibilität und Autonomie
Zeitliche Flexibilität:
Moderne Arbeitsplätze bieten den Mitarbeitenden die Möglichkeit, ihre Arbeitszeiten flexibler zu gestalten. Dies umfasst Optionen wie Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit und Jahresarbeitszeit. Solche Regelungen ermöglichen es den Mitarbeitenden, ihre beruflichen und privaten Leben besser zu vereinbaren, was zu höherer Arbeitszufriedenheit und Produktivität führt.
Räumliche Flexibilität:
Mit den technologischen Fortschritten haben Mitarbeiter:innen nun die Möglichkeit, von verschiedenen Orten aus zu arbeiten. Ob von zu Hause, in Co-Working-Spaces oder sogar während einer ‘Workation’ (Arbeitsurlaub), räumliche Flexibilität ermöglicht eine dynamischere und anpassungsfähigere Arbeitsumgebung. Diese Veränderung reduziert nicht nur die Pendelzeit und -kosten, sondern fördert auch eine gesündere Work-Life-Balance.
Selbstbestimmung:
Die Mitarbeitenden mit grösserer Entscheidungsfreiheit bei ihren Aufgaben und täglichen Arbeitsaktivitäten zu stärken, erhöht ihr Gefühl von Sinnhaftigkeit und Arbeitszufriedenheit. Den Einzelnen die Möglichkeit zu geben, ihren Arbeitstag und ihre Verantwortlichkeiten zu gestalten, führt zu sinnvolleren und engagierteren Arbeitserlebnissen. Schlau umgesetzt fördert dies auch den Wiedereinstig von berufstätigen Müttern und Vätern und schafft Raum für neue Arbeitsmodelle.
Zusammenarbeit und Netzwerke
Teamarbeit und Diversität:
Die Förderung von Teamarbeit und Zusammenarbeit innerhalb vielfältiger, interdisziplinärer Teams ist in der modernen Arbeitswelt von entscheidender Bedeutung. Die Schaffung eines inklusiven Umfelds, in dem Vielfalt geschätzt und Inklusion praktiziert wird, verbessert die Innovations- und Problemlösungsfähigkeiten. Dabei ist auch die kognitive Diversität (andersdenkende) ein wichtiger Bestandteil von New Work und kann so nicht nur den Rösti-Graben überwinden.
Netzwerke:
Die Nutzung beruflicher Netzwerke und Communities für den Wissens- und Informationsaustausch wird immer wichtiger. Sowohl interne als auch externe Netzwerke erleichtern das Outsourcing und Insourcing von Aufgaben, wodurch Fachwissen effizient genutzt wird.
Agile Methoden und Selbst-Organisation:
Die Einführung agiler Methoden und Organisationsformen wie Scrum, Kanban, Soziokratie, Holokratie und Selbst-Organisation verändert die Teamzusammenarbeit und das Projektmanagement. Diese Methoden unterstützen kontinuierliche Verbesserung, Flexibilität und Reaktionsfähigkeit, was zu effizienteren und effektiveren Teamdynamiken und Projektergebnissen führt. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die verteilte Führung (weg von einer Führungskraft, hin zu Führungsarbeit).
In der neuen Arbeitswelt geht es darum, den Menschen mehr Autonomie und Flexibilität zu geben, damit sie ihre beste Arbeit leisten können. Michael Dell, CEO von Dell Technologies, Zeitschrift Fortune, 2019
Technologie und Digitalisierung
Der Einsatz moderner Technologien und Softwarelösungen ist wesentlich zur Unterstützung der Arbeitsaktivitäten. Tools wie Kommunikationsplattformen, Projektmanagement-Software und Kollaborationswerkzeuge erhöhen die Produktivität und optimieren die Arbeitsabläufe, während digitale Lösungen es den Mitarbeitenden ermöglichen, unabhängig vom physischen Arbeitsplatz zu arbeiten. Remote-Arbeitsoptionen bieten nicht nur Flexibilität, sondern gewährleisten auch die Geschäftskontinuität und Widerstandsfähigkeit in verschiedenen Umständen. Die Integration von künstlicher Intelligenz und Automatisierung in Arbeitsprozesse steigert die Effizienz und übernimmt repetitive Aufgaben, dadurch können sich die Mitarbeitenden auf strategischere und kreativere Aspekte ihrer Rollen konzentrieren.
Kultur und Führung (New Leadership)
Führungskräfte, die Vertrauen und Empowerment über Kontrolle stellen, fördern ein positives Arbeitsumfeld, Positive Leadership, schafft psychologische Sicherheit und ermutigt die Mitarbeitende, Eigeninitiative zu ergreifen und zu innovieren. So entsteht eine Kultur der Anerkennung und des respektvollen Umgangs untereinander, denn die Wertschätzung der Beiträge der Mitarbeitenden und die Aufrechterhaltung eines positiven Menschenbildes erhöhen die Motivation und das Engagement. Die Förderung einer offenen und inklusiven Unternehmenskultur unterstützt zudem die Kreativität und Innovation und schafft so ein Umfeld, in dem vielfältige Ideen ermutigt und geschätzt werden. Dies führt schlussendlich zu besseren Problemlösungen und Geschäftsergebnissen.
Kontinuierliches Lernen und Entwickeln
Kontinuierliche Weiterbildung und lebenslanges Lernen sind feste Bestandteile der beruflichen Entwicklung bei New Work. Dies ermöglicht den Mitarbeitenden, ihre Fähigkeiten ständig zu erweitern und sich an neue Anforderungen anzupassen. Dabei unterstützen Unternehmen die individuelle Karriereplanung und -Entwicklung ihrer Mitarbeitenden und fördern so die berufliche Zufriedenheit und helfen den Mitarbeiter:innen, ihre beruflichen Ziele zu erreichen. Zudem stärkt der Austausch von Wissen und Erfahrungen zwischen Mitarbeitenden das kollektive Know-how und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.
Work-Life-Balance und Gesundheit
Massnahmen zur Förderung der physischen und psychischen Gesundheit der Mitarbeitenden sind entscheidend für ein nachhaltiges Arbeitsumfeld; so tragen Gesundheitsprogramme und präventive Massnahmen zur Reduzierung von Krankheitsausfällen und zur Steigerung der Produktivität bei. New Work Unternehmen unterstützen die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben durch flexible Arbeitsmodelle und Angebote zur besseren Balance, diese wird nicht nur von den jüngeren Generationen gefordert. Dadurch wird die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und deren Leistungsfähigkeit erhöht und die Zufriedenheit gesteigert. Die Anerkennung der Bedeutung von Pausen und Erholungszeiten ist entscheidend, um die Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeitenden aufrechtzuerhalten, diese tragen zur Vermeidung von Burnout und zur langfristigen Gesundheit der Mitarbeitenden bei.
Fazit
Das New Work Paradigma priorisiert Flexibilität, Autonomie, Zusammenarbeit, Technologieintegration, kontinuierliches Lernen und Gesundheit, wodurch die Verwaltung von Zeit, Arbeitsräumen und Teaminteraktionen verbessert wird. Durch die Implementierung dieser Prinzipien können Organisationen eine produktivere, zufriedene und engagierte Belegschaft fördern, die den Erfolg in einer zunehmend dynamischen und vernetzten Welt vorantreibt.
Die Umsetzung von New Work Strategien kann nicht nur die individuelle Leistung der Mitarbeitenden verbessern, sondern auch ein widerstandsfähiges und anpassungsfähiges Unternehmen schaffen, das bereit ist, in der Zukunft der Arbeit zu gedeihen und es auch kontinuierlich schafft, Arbeitskräfte nachhaltig ans Unternehmen zu binden und neue Mitarbeitende anzuziehen.
Foto: von Standsome Worklifestyle auf Unsplash