Vom Arbeiten in der Gruppe zur Kraft des Teams: Der Weg zu Spitzenleistungen

Florian Achermann, 9. Oktober 2024

Teamarbeit ist heute in fast allen Bereichen des Arbeitslebens eigentlich unverzichtbar. Unternehmen, Organisationen und Projekte setzen zunehmend auf Zusammenarbeit in Teams, um die komplexen Herausforderungen der Märkte zu bewältigen. Doch was bedeutet es wirklich, als Team zu arbeiten? Stell dir vor, du würdest deine Kolleg:innen fragen: „Seid ihr bereit, als Team zu arbeiten?“ Welche Antworten würdest du erhalten? Wie würde jede:r von euch Teamarbeit definieren? Was macht ein gut funktionierendes Team aus? Wärt ihr euch alle einig?

Was ist eigentlich ein Team, und was macht gute Teamarbeit aus? Welche Faktoren entscheiden darüber, ob ein Team erfolgreich ist oder scheitert? Diese Fragen beschäftigen nicht nur die Praxis, sondern auch die Wissenschaft. Zahlreiche Autoren haben sich intensiv mit der Definition und den Erfolgsfaktoren von Teams auseinandergesetzt.

In diesem Beitrag stützen wir uns auf die Arbeiten von Jon R. Katzenbach und Douglas K. Smith aus dem Jahr 1993, die einen der einflussreichsten Ansätze zur Analyse von Teams entwickelt haben. Ihre Erkenntnisse bieten wertvolle Einblicke in die Grundlagen erfolgreicher Teamarbeit.

Die Unterschiede zwischen einer Arbeitsgruppe und einem Team

In Anlehnung an: Not All Groups Are Teams: How to Tell the Difference, The Discipline of Teams, by Jon R. Katzenbach and Douglas K. Smith J., March–April 1993 Harvard Business Review.

 

Von der Arbeitsgruppe zum Team – Mut, Risikobereitschaft und Ausdauer

Wenn ihr euch entscheidet, den Schritt von der Arbeitsgruppe zum Team zu gehen, verpflichten sich alle Beteiligten, die Risiken von Konflikten, gemeinsamen Arbeitsergebnissen und kollektiven Handlungen auf sich zu nehmen – alles notwendige Schritte, um einen gemeinsamen Zweck, klare Ziele, Arbeitsweisen und eine gegenseitige Verantwortlichkeit zu entwickeln. Dieser Prozess kann sich über mehrere Monate oder sogar Jahre erstrecken.

Hier zeigt sich in der Praxis oft die grösste Herausforderung: fehlender Mut, mangelnde Risikobereitschaft und fehlende Ausdauer. Wahre Teamarbeit erfordert den Mut, sich den Herausforderungen zu stellen, die auf dem Weg zur Teamentwicklung unvermeidlich sind. Gruppen, die sich zwar als Teams bezeichnen, aber diesen Risiken aus dem Weg gehen, bleiben bestenfalls Pseudoteams.

Sechs Schlüsselfaktoren für die Entwicklung einer erfolgreichen Teamleistung

Die Entwicklung der Teamleistung hängt massgeblich davon ab, dass die Führungsarbeit und die Gruppe folgende Faktoren ermöglicht:

  1. Kleine Gruppengrösse (unter 20 Teammitgliedern)
  2. angemessenes Mass an komplementären Fähigkeiten
  3. wirklich sinnstiftend der Zweck
  4. spezifisches Ziel oder Ziele
  5. Klare gemeinsame Arbeitsweise
  6. Gefühl gegenseitiger Verantwortung

Gleichzeitig muss die Gruppe Teamarbeit wirklich, wirklich wollen. In unserer Beratung und unseren Coachings begegnen wir immer wieder Gruppen, bei denen einige Mitglieder eigentlich gar nicht daran interessiert sind, ein Team zu werden. Diese fehlende Bereitschaft kann ein enormes Hindernis darstellen, denn ohne den gemeinsamen Willen zur Teamarbeit wird es schwierig, die notwendigen Schritte zu gehen und die damit verbundenen Herausforderungen zu meistern.

Erfolgreiche Teamarbeit liefert klar höhere Gesamtleistungen die das Team als Ganzes erreicht, wie etwa Umsatzsteigerungen, Projekterfolge oder das Erfüllen von Geschäftsziele (Leistungsziele). Es schafft zusätzlich gemeinschaftliche Arbeitsergebnisse, die durch die gemeinsame Arbeit entstanden sind. Das kann ein gemeinsam erstelltes Produkt, Präsentationen oder ähnliches sein. Also der direkte Output, der aus der Zusammenarbeit resultiert. Weiter fördert Teamarbeit persönliches Wachstum, die individuelle Entwicklung und Resilienz von den Teammitgliedern.

Team Basics, Katzenbach, J. R., & Smith, D. K. (1993).

1. Kleine Teamgrösse

Teams sollten klein genug sein, um sich einfach und häufig zusammenzufinden und effektiv zu kommunizieren. Offene und interaktive Diskussionen sind entscheidend. Falls mehr Personen benötigt werden, um die Arbeit zu erledigen, sollten eher Unterteams gebildet werden, anstatt das Team zu gross und unhandlich zu machen. Hier sprechen die Autoren von unter 20 Personen. Die Erkenntnis aus der aktuellen Forschung sieht eine Teamgrösse zwischen 5 bis 9 als optimal, damit eine gute Kommunikation und schneller Entscheidungen möglich sind. Wenn passende Methoden angewandt werden, lässt sich auch mit 20 und mehr gut arbeiten.

Für eine effektive Umsetzung empfehlen wir in solchen Fällen das Formen von Sub-Teams von fünf bis neun Teammitgliedern. Beispielsweise kann mit 20 Teammitgliedern und dem Systemischen Konsensieren ein Entscheid gefällt werden, der anschliessend in den Subteams ausgearbeitet wird. Es ist ein gekonntes Teilen und Zusammenführen der Subteams, je nach Anforderung. Noch wichtiger als Teamgrösse ist jedoch das gegenseitige Vertrauen und der Zusammenhalt.

2. Angemessenes Mass an komplementären Fähigkeiten

damit dieser Faktor erfüllt wird soll das Team richtige Mischung aus komplementären Fähigkeiten entwickeln. Diese Anforderungen an die Teamfähigkeiten lassen sich in drei Kategorien einteilen:

  1. Technische oder funktionale Expertise: Es ist wichtig, dass Teams über die nötigen fachlichen Fähigkeiten verfügen, um ihre Aufgaben erfolgreich zu erledigen. Wir sprechen hier vom cross-funktionalen Teams, die entlang des Werkstroms organisiert sind und damit klassische, funktionale Siloorganisationen aufbrechen.
  2. Problemlösungs- und Entscheidungsfähigkeit: Teams müssen in der Lage sein, Probleme zu identifizieren, Optionen zu bewerten und Entscheidungen zu treffen, um voranzukommen. Einige Teammitglieder sollten bereits zu Beginn diese Fähigkeiten mitbringen, doch oft entwickeln sich diese Kompetenzen am besten durch praktische Erfahrungen. Folgender Beitrag: Teamkompetenz: Entscheide fällen, die Matrix, kann zur Entwicklung der Entscheidungsfähigkeit im Team unterstützen.
  3. Zwischenmenschliche Fähigkeiten: Ein gemeinsames Verständnis und ein gemeinsamer Zweck können nur durch effektive Kommunikation und konstruktive Konfliktbewältigung entstehen. Diese hängen von zwischenmenschlichen Fähigkeiten ab, wie Risikobereitschaft, hilfreiche Kritik, Objektivität, aktives Zuhören, gegenseitiges Vertrauen, Unterstützung und der Anerkennung der Interessen und Erfolge anderer.

Alle drei Kategorien von Fähigkeiten müssen im Team vertreten sein. Hier gibt es Parallelen zu Modellen wie Belbin oder Margerison-McCann. Jedes Mitglied sollte bereit sein, die erforderlichen Fähigkeiten in sich selbst und in anderen zu entwickeln. Dies stellt sicher, dass das Team sowohl auf individueller als auch kollektiver Ebene leistungsfähig bleibt.

3. Wirklich sinnstiftender Zweck

Der Zweck sollte in einer Vision oder dem Business Case klar formuliert werden. Es beantwortet die Frage wozu das Team existiert. Das Team sollte diesen Zweck verstehen und in der Lage sein, ihn auf ähnliche Weise zu artikulieren. Idealerweise wird dieser Zweck mit dem Team und den Anspruchsgruppen gemeinsam erarbeitet und vergemeinschaftet. Dieser Zweck sollte regelmässig betont und dessen Bedeutung überprüft und angepasst werden. Es ist wichtig, den Zweck sinnvoll und einprägsam zu machen und seine Bedeutung für die Organisation oder die Kundschaft zu verstärken.

4. Spezifisches Ziel oder Ziele

Die Teammitglieder sollten die Ziele klar formulieren können und übereinstimmen, dass es die richtigen sind. Die Ziele sollten SMART (spezifisch, messbar, erreichbar, relevant, zeitgebunden) formuliert sein. Hier bietet sich das OKR-Framework (Objectives and Key Results) an, um Teamziele klar und messbar zu machen.

5. Klare Arbeitsweise

Die Arbeit, um die Ziele zu erreichen, sollte klar und von allen verstanden werden. Der Ansatz muss konsistent in seinen Anforderungen an die Teammitglieder sein und Anpassungen sowie Verbesserungen im Laufe der Zeit zulassen. Agile Methoden wie Scrum oder Kanban helfen, die Arbeitsweise transparent und anpassbar zu gestalten. Reviews und Retrospektiven spielen eine entscheidende Rolle, um kontinuierlich besser zu werden. In Reviews überprüft das Team regelmässig die Arbeitsergebnisse und bewertet, ob die Ziele erreicht wurden. Dies ermöglicht es, den Fortschritt zu messen und notwendige Anpassungen vorzunehmen. In Retrospektiven reflektiert das Team seine Zusammenarbeit und bespricht, was gut gelaufen ist und was konkret verbessert werden kann. Dieser Austausch fördert das Lernen aus Erfahrungen und hilft dem Team, die Arbeitsweise kontinuierlich zu optimieren, um langfristig noch bessere Ergebnisse zu erzielen.

6. Gefühl gegenseitiger Verantwortung

Das Team sollte ein starkes Gefühl von individueller und kollektiver Verantwortung für den Zweck der Teamaufgaben sowie für die Ziele, den Ansatz und die Arbeitsergebnisse haben. Der Fortschritt sollte an spezifischen Zielen gemessen werden, und jedes Mitglied sollte klare individuelle und gemeinsame Verantwortlichkeiten haben. Es sollte ein Bewusstsein dafür herrschen, dass „nur das Team versagen kann“.

Nachdem wir die sechs Schlüsselfaktoren für die Entwicklung einer erfolgreichen Teamleistung betrachtet haben, stellt sich die Frage, wie ein Team sich in der Praxis von einer einfachen Arbeitsgruppe zu einem echten Hochleistungsteam entwickelt. Dieser Prozess verläuft in verschiedenen Stufen, die ein Team durchläuft, je nachdem, wie stark es sich auf gemeinsame Ziele, Verantwortung und Zusammenarbeit fokussiert. Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die fünf Typen eines Teams – von der Arbeitsgruppe bis hin zum Hochleistungsteam – und was es braucht, um auf jeder Stufe die Leistung zu steigern.

Die Team-Leistungskurve, von der Gruppe zum Hochleistungsteam

Team Performance Curve, Katzenbach, J. R., & Smith, D. K. (1993).

Die Arbeitsgruppe

Eine Arbeitsgruppe hat keinen signifikanten Bedarf oder keine Möglichkeit, ihre Leistung schrittweise zu steigern, um ein Team zu werden. Die Mitglieder tauschen hauptsächlich Informationen, Best Practices oder Perspektiven aus und treffen Entscheidungen, die ihnen in ihren Verantwortungsbereichen helfen. Es gibt keinen gemeinsamen Zweck, keine Leistungsziele oder Arbeitsergebnisse, die einen Teamansatz erfordern.

Das Pseudoteam

Ein Pseudoteam ist eine Sackgasse, in der sich manche Gruppen befinden. Ein Pseudoteam hat theoretisch eine signifikante Leistungsanforderung, konzentriert sich jedoch nicht auf kollektive Leistung und versucht nicht, diese zu erreichen. Es besteht kein Interesse an einem gemeinsamen Zweck oder Leistungszielen, auch wenn sich die Gruppe als Team bezeichnet. Pseudoteams tragen oft weniger zur Leistung bei als Arbeitsgruppen, da ihre Interaktionen die individuelle Leistung mindern, ohne einen gemeinsamen Nutzen zu schaffen.

Das Potentielle Team

Ein potenzielles Team hat eine klare Leistungsanforderung und bemüht sich, seine Leistung zu steigern. Allerdings fehlt es noch an Klarheit bezüglich Zweck, Zielen und Arbeitsergebnissen, sowie an Disziplin in der gemeinsamen Arbeitsweise. Es hat noch keine kollektive Verantwortlichkeit etabliert. Der grösste Leistungszuwachs findet oft zwischen einem potenziellen Team und einem echten Team statt.

Das echte Team

Ein echtes Team ist eine kleine Gruppe von Menschen mit komplementären Fähigkeiten, die sich einem gemeinsamen Zweck, Zielen und einer Arbeitsweise verpflichtet fühlen und sich gegenseitig zur Rechenschaft ziehen. Echte Teams sind der Kern oder die wichtigste Einheit, durch die in Organisationen hohe Leistung und Ergebnisse erzielt werden. Während individuelle Beiträge oder Arbeitsgruppen ebenfalls eine Rolle spielen, sind es echte Teams, die durch ihre gemeinsame Verantwortung, kollektiven Ziele und effektive Zusammenarbeit den grössten Einfluss auf den Gesamterfolg haben.

Das Hochleistungsteam

Ein echtes Team wird zum Hochleistungsteam, wenn es ein tiefes gegenseitiges Commitment entwickelt, das über den gemeinsamen Zweck hinausgeht. Die Mitglieder unterstützen sich nicht nur fachlich, sondern sind auch am persönlichen Erfolg und Wachstum der anderen interessiert. Ein starkes Vertrauen und eine noch intensivere gegenseitige Verantwortlichkeit zeichnen Hochleistungsteams aus. Sie übertreffen regelmässig ihre Ziele und liefern überdurchschnittliche Ergebnisse. Zudem zeichnet sie eine kontinuierliche Weiterentwicklung aus, indem sie ihre Arbeitsweise ständig reflektieren und anpassen, um sich fortlaufend zu verbessern.

Schlussgedanken

Nicht jede Gruppe kann sich automatisch als echtes Team bezeichnen. Während Arbeitsgruppen und Pseudoteams oft funktional bleiben, fehlt ihnen der Fokus auf gemeinsame Ziele, kollektive Verantwortung und klare Zusammenarbeit. Der Weg von der Arbeitsgruppe zum echten Team erfordert nicht nur Mut, sondern auch die Bereitschaft, Risiken einzugehen, Konflikte zu bewältigen und kontinuierlich an einem gemeinsamen Zweck sowie an abgestimmten Arbeitsweisen zu arbeiten. Oft scheuen Gruppen diese Herausforderungen, da sie die Anstrengung und Veränderung nicht eingehen wollen, die notwendig sind, um wirklich als Team zusammenzuwachsen.

Es ist wichtig zu erkennen, dass nicht jede Gruppe das Ziel haben muss, ein Hochleistungsteam zu werden. Hochleistungsteams setzen ein extrem hohes Mass an Engagement, Vertrauen und persönlichem Einsatz voraus, was nicht in allen Kontexten notwendig oder realistisch ist. Dennoch sollte man sich keine Illusionen machen: Es ist entscheidend, ehrlich zu bewerten, ob man als Team die notwendigen Schritte unternimmt, um die gesteckten Ziele zu erreichen, oder ob man sich selbst nur als Team bezeichnet, ohne die damit verbundenen Risiken und Anstrengungen wirklich auf sich zu nehmen. In diesem Fall bleibt man bestenfalls ein Pseudoteam.

Wer aber den Mut und die Ausdauer aufbringt, diese Mühen auf sich zu nehmen, wird reich belohnt. Ein Team, das sich wirklich gemeinsam entwickelt und die Herausforderungen meistert, erlebt nicht nur enorme Leistungssteigerungen, sondern auch ein starkes Gefühl von Zusammenhalt und Erfolg, das weit über den beruflichen Alltag hinausgeht. Die gemeinsame Anstrengung schafft eine Atmosphäre von Vertrauen, Respekt und persönlichem Wachstum, die nicht nur zu aussergewöhnlichen Ergebnissen führt, sondern auch das Arbeiten im Team zu einem äusserst befriedigenden und positiven Erlebnis macht. Immer und immer wieder.

Quellen:
Katzenbach, J. R., & Smith, D. K. (1993). The wisdom of teams: Creating the high-performance organization. Harvard Business School Press.
Katzenbach, J. R., & Smith, D. K. (1993). Not all groups are teams: How to tell the difference. Harvard Business Review, March-April. https://hbr.org/1993/03/not-all-groups-are-teams-how-to-tell-the-difference